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Reisetagebuch zum Taizé-Treffen in Budapest
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Frank, 27.12.01 – 01.01.02
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Wien von den Bergen aus, in gelb lackierendem Sonnenlicht, 3-spurig durchs Autobahntunnel, eine Frau, die mit 2 Fingern auf den Schalthebel trommelt, die Türme übersteigen die Frontscheibe, Lagerhallen rechts, Wohnfronten links, Schlote verdicken die blaue Atmosphäre mit weißen Knäueln, Raffineriegürtel, blaue Fliesen in der Raststätte. Ja, in Ungarn kann mit Karte getankt werden. Die Buchstaben werden neu gemischt, und wir fahren in die Breiten des bis gestern Ungehörten. Der ferne Kontinent dunkelgrauer Wolken über hellrot-violettem, letzten Sonnenlicht, rechts im Westen und geradeaus die Zollstation. Autoschlangen, Erinnerungen, Witze. Uniformierte schlendern am Wagen vorbei. Die Pässe werden gelesen.
Grün ist das Markenlicht der ersten Tankstelle. Zwei Männer in Mänteln ziehen Kaffee aus einem Automaten, Zigaretten und Süßigkeiten, Hefte und Pläne und bunt Verpacktes füllt den so gewohnt gestaffelten Raum. Kosten die Treibstoffe weniger? Sind die beiden Männer Ungarn? Was sprechen sie?
Im Ford wird es ruhig. Die Nachtschwärze ist jetzt vollständig und die Bewegungen der Grenze laufen in dem förmlich stillstehenden Dahinrauschen aus. Rote und weiße Lichtflecken; die weißen entfliehen links durch die Scheiben, die roten wiegen sich vor mir zwischen den beiden Kopfstützen.
Budapest 105 km. Verschiebt sich die Uhrzeit? Zu welchem Frühstück würde mich mein Wecker rufen?
grüßende
eröffnung
9 stunden
zündung
der schnee dünner
die autobahn
grün bebildert
elektrischer
sonnenflaum
in dem
wir
sitzen
was verrücken
meine hände?
welche wände?
Und wann haben sie fundament?
carpe diem
Übernachtung. Über 10-stöckiges geheiztes Gebäude. Gasgeruch in der Nähe durch Werk. Fußboden, Deckenleuchte, Betten, Fliesen, Seifen, Klorolle, Tischchen mit Decke, Aschenbecher (blinkendes Glas), Mülleimer, ein leerer Kühlschrank, Handtücher, Zudecke und Kissen, Tisch, Stühle, Schrank, Müdigkeit, schwerer Kopf... und Steckdosen, Rasiererkabel.
Solymár. Der Ford läuft die Steigungen ab, wir halten – ein Kirchplatz, kleine Buden, Frauen davor, Stoffe und Pullover im Angebot, neben mir parken und verschwinden die Autos aus den Buchten. Der Himmel weiß und ein wenig blau. Das Quartier wird besorgt. Gebäck und Kaffee, Christian empfiehlt ein Hörnchen mit Kastanienfüllung. Viele Gesichter. Winfried gelingt der Witz zu unserer nun fast schon slowakischen Unterkunft.
Für den Gegenwärtigen ist alles schon gesagt, und doch muß neu angelegt werden, neu hervorbewegt werden.
Verstehen, Nähe gewinnen, und auch dabei mit Gefühl wissen.
Nach dem Ursprung fragen, wieder, tiefer das Blatt führen.
Sportwagen, eng geparkt im groß gedruckten Palast. Giulietta eins-acht.
Plötzlich Geruch nach belegtem Brot, Autobahnrast, Entfernung, Länge, Übergang (es geht weiter) ...
Die wandgroßen orangen Tücher überraschen mich, und die Christusfigur in der Mitte dieser blühenden Frontseite hält ein gelbes Buch in Händen. Die übrige Halle ist in ihrem rohen Zustand belassen. In dichten Trauben setzen sich die Menschen vor die geschmückte Wand oder sammeln sich auf den Bänken am Rand der Halle, dankbar nach einem Abendessen im fallenden Schnee.
Das Grau des Betonbodens wird unsichtbarer, und die Sitzenden von Rand und Mitte berühren sich. Eine klare verstärkte Stimme singt Lieder vor für das folgende Abendgebet. Die Deckenbeleuchtung erlischt, und das Orange erstrahlt. Europas Sprachen hallen.
Busfahrt in die Stadt, Erkältung, Freude, Sorge, und der Blecheimer im Straßengraben.
Thermalbad, Schwäche, Frische.
Hüvösvögly. Eine Anzahl Busse versammelt sich. Nachtlicht, gelbe Flecken auf den schwarzbezogenen Sitzen, rote grenzziehende Rückleuchten, und gelb die Minuten bis zur Abfahrt, auf grünem Grund. Die Anzeige hat jetzt " :02 ". Helles Quietschen der bremsenden Tram, ferner aber als die plötzlichen Motorwellen. Wir werden fahren – noch wenige Augenblicke – ein Klingeln, Druckluft – Start.
Reklame.
Straße.
Weg
Große Gastfreundlichkeit der Familie. Mohnkuchen, Wörterbuch.
Gestern die Metro. Es schien, als würden die Zehntausenden gleich zu den Spaten greifen und ein neues Tunnel graben, oder vielleicht vier.
Jemand auf dem offenen Asphalt, liegt, Blut neben seinem Kopf, weiße Bänder um die Stirn, und ein Wagen schräg vor den Beinen in Erstarrung, als wäre ihm das Benzin in die Reifen gesackt. Ein Polizist winkt in die Straße hinein.
Moskauer Platz. Sein Name blieb. Wir verabschieden uns und ich komme aus der U-Bahn an die Luft und laufe zur Linie 56. Ich genieße den Anblick der beiden wartenden Bahnen. Esse den Apfel zu Ende, die erste fährt, und die zweite empfängt mich als zweiten Gast. Über spätnachmittägliche Minuten hinweg steigen ein Mann mit dicker Lektüre, eine junge Frau, deren Ausschmückung von den krokomäßigen Stiefeln über den samtigen Mantel bis ins Haar reicht, Mutter und Tochter, oder das strenge, mit dem Blick durch die Scheibe brechende Gesicht ein.
Christian unter mir auf Abenteuerfahrt. Trick 17, erst mal zurückzufahren, Schulter an Schulter.
Alexandra, Vivi und Christian beraten. Wäre ein Bad gut? Was soll ich schlucken? Der Gastvater empfiehlt einen Schnaps.
Die da und dort aufkommenden Erinnerungen an die Prager Tage. Unsere erste Übernachtung auf der Kleinseite, hinter den Gazdaságtudományi.
Ein französisches Lied im Gottesdienst.
Letzter Morgen vor dem Euroland. Noch immer angeschlagen. Frühstück am Flußufer, rechts wird abgetragen, links aufgetischt. Winfried wird in der Hütte dem Boden näherkommen und Diplomarbeit schreiben. Wohin müßte ich?
Weiße Rasur, (die erste), Rock 'n' Roll, und die griffbereit aufklappbaren Geschichten des Dorffriseurs.
Mittagessen. Kinder und Eltern, Geschirr klappert, der Vater schenkt sich Bier ein, die Tochter neben der Mutter will keine Kartoffeln, und als Nachtisch Orangen und Milka. Nächstes oder übernächstes Jahr wird nur noch die Jüngste mit den Eltern Urlaub machen.
20. August Nationalfeiertag, König Stephan erstes kath. Oberhaupt. Feuerwerk überall.
Heiße glühende Uhr, Minute um Minute atmend.
Aquarium in unserem Gästezimmer. Einer der kleinen Fische nähert sich dem Boden, sein Körper zuckt, vielleicht in der Freude des Finders, und verschwindet hinter der blauen Futterdose, die vor der Glaswand gewachsen steht.
Erste Böller, Tröten.
Dorthin, wo kein Licht ist, muß man Licht mitbringen.
Ins neue Jahr getanzt.
Grenze, Pässe raus. Oleg sucht das letzte Telefon.
Tele Kréker.
Schmeckt wie eine schöne Frau.
Surreale Wanderschaft durch die wohnabendliche Wiener Innenstadt, vorbei am einen und anderen. Am Stephansdom Gefühl von Lorenzkirche. Die Ungarn sind da!
BSE, eine traurige Geschichte.
Vereinzelt Fahrzeuge auf der Autobahn. Lkws leuchten sich entgegen, 2 Christbäume glitzern vor dem Zaun um eine Fabrikhalle. 3 gelbe Laternen messen den vorbeiziehenden Rastplatz ab.
Durch die Straßen trompeten, sich die Töne zuspielen, Licht und Schatten und Höhenweg.
Blättere in den Aufzeichnungen, erstaunt, wie weit das Rudas-Bad schon zurückliegt. Der dampfige von Stimmen raunende Raum, dessen Ecken und Durchgänge nicht fest, sondern vielmehr im Offnen abschließen. Der Mann, der die Wade in den Wasserstrahl hält.
Genug Feuer, sich nicht nach den Spuren umsehen zu müssen, aber, vielleicht zu wenig, um die Hand –
Augustinus: das Sehnen schon, das Sehnen.
Manchmal leichter Druck in den Ohren, die Stimme noch nicht ganz frei. Und die Beine, das rechte voran, schlafen ein.
Attila út noch einmal, links Häuser, Steinfiguren auf Simsen, rechts Bäume eine Straßenbahnlinie vielleicht, und wieder dieses schwere, feste gelbe 4-Uhr Licht, wie in Wien damals.
Sitzplätze werden im Ford getauscht, das Licht, ich will schreiben, andere schlafen, und die zurück gesteckten Kopfstützen oder weitergeschobene Mülltüte markieren die Abfolge von Essen, Singen, Anhalten, Route finden, mit dem Teppich fliegen.
Härtester Schnee in Erlangen, jede Menge.
Reichtum und Wind. Waches Wandern.
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