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Eisbären sind Engel

Christian Schloyer, Januar 2001



Kalt schwarz nacht dunkel gleite ich durch Wasser bei vier Grad wo es am schwersten ist hier unten in versunkenen Tiefen und spüre die Schuppenhaut tanzender Tentakeln die mich beäugen begleiten wie ein Kometenschweif und ich stoße durch Strömung aus flüssigem Eis schmecke das Salz und atme / atme das Wasser wo es aufhört Wasser zu sein und Äther ist / Äther aus geschmolzenen Gedanken die sich verstecken versenken in der Tiefe der See in der Tiefsee zur Meditation.

Der Himmel der Fische und Nixen und Quallen und Haie ist nicht besternt / besternt ist er nicht durchzackt durchblitzt und durchwoben von zitterndem Lichtspiel ist er und Wogen aus Licht und Glanz und Herrlichkeit blaugleißend goldsprühend und Silberfunke / wie wenn das Kind das in den Brunnen gefallen bestürzt / blickt an das Ende des Tunnels wo es Licht sieht / Licht und nicht weiß ob es tot ist oder empor / blickt ein letztes Mal in seliger Ruhe denn Wasser wird Atem für Menschen und Tiere die des Erstickens müde geworden sind.

So treib ich dahin und habe mich längst gewöhnt an Stille und Frieden und Walgesang in der Ferne und an die Nähe der kalten Leiber der Fische die mich umgarnen umtanzen und ungläubig betrachten mit neun mal neun Augen begaffen und freue mich an dem Wellenspiel des Himmels / freue mich / meines Lebens meiner Welt hier unten am Boden des Ozeans die ich schon ewig / schon ewig bewohne.

Ich gleite empor.

Mit dem Schwimmen Erklimmen neuer Höhen spüre ich schmerzhaft den Verlust der Gefährten durchzuckt mich der Abschied der Neunaugen spüre und tröste mich schmiegend an riesige Quallen und ihre nesselnden Fäden die sie hinter sich her / ziehen wie Bräute Kleider und Blumenkinder und unbesorgt arglos ihr Gift unter die Haut in mein Fleisch / pumpen denn ich von Neptun gesegnet erlaube es ihnen gestatte es und schließe Freundschaft mit ihnen und ihren quellenden Körpern.

Auch sie muss ich verlassen denn es treibt mich / treibt mich weiter weiter empor und aufwärts und weiter wo das Wasser dünner und leichter und der Abfall des Drucks meinen Schädel aufbläht was mich nicht stören nicht aufhalten kann weil ich weiß / mir bewusst wird / ich erkenne / dass es andere Ebenen gibt und ich aus tiefster Tiefe komme und die höchsten Höhen nicht / längst nicht / immer noch nicht kenne.

Der mächtige rauschende Himmel rückt näher und näher und blendet verwirrt betäubt mich und tost / kaum mehr erträglich fast nicht mehr fassbar für mich und ich halte inne für einen Moment / und atme / atme und fülle die Lunge tief / mit einem Schluck seichten Gewässers das einem hier oben so sehr zu Kopf steigt berauscht und schwindelig macht.

Ich durchstoße das Himmelsgewölbe.

Rau heftig und eisig umweht mich ein Medium neuer Erkenntnis sich bündelnd zu Licht / Licht das den Himmel den alten durchzogen durchwoben betanzt / brennt sich hier oben hart und fern in einen neuen Zenit in einen grellen einzigen heißen und hellen Punkt der so gleißend scheinend und blendend und weit dass er sich jedem erkennenden Blick entzieht und ich / ich schwebe und schaukle auf / und nieder zwischen zwei Himmeln und wunder und frage mich / will wissen / ob es höher noch höher weiter und näher heran geht / näher heran an das Licht und die Wahrheit die mir so nahe geglaubt ein weiteres Mal entkommen / doch kann ich nicht fliegen nur schwimmen und warten bis Flossen sich beflügeln.

So nehm' ich die freundliche Tatze des Bären am Rande der scharfglitzernden Kante einer Scholle aus schimmerndem Eis die so weiß ist wie er / der auf mich gewartet mich erwartet hat / er seine Frau und die Kinder beäugen mich freundlich aus schwarz engstehenden Augen und rot scharfbezackt zahnigen Rachen.

Das sind die Tänzer der Lüfte Bewohner der Höhen und Wolken des einstigen Himmels die ich bestaunt und betrachtet so oft am Grunde der tiefen und ruhigen See über mir vorüber ziehen sah / das sind die Engel die tanzen und feiern geduldig und fröhlich gewartet auf mich / mich einzuladen und einzulassen und aufzunehmen und mich / das neugierige Fleisch / zu fressen das da empor aus der Tiefe gekommen um Wahrheit zu suchen im blendenden Licht und längst nicht das Ende aller Horizonte erreicht und erblickt hat die noch zu durchqueren und zu durchwandern gewesen wären.



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