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die stadt in der ich schreib oder: ein protokoll
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Madeleine Weishaupt
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ich erinnere mich noch genau an den frühen abend, als ich im zug anreisend die ersten lichter dieser stadt betrachtete. die lichtpunkte näher und grösser sah und mein erstes ankommen sich zittrig aufbäumte und ich nicht so recht wusste, nein gar nichts wusste über diese stadt mit dem namen, nichts vergangenheit nichts zukunft, nur meine eigene gegenwart war mir wissen genug. ein name von einer stadt auf einer landkarte in einem land. ein name, eine stadt – nürnberg.
und der zug fährt ein und ich, die mein gepäck in die hand nehme und zur ausgangstür gehe und darauf warte, dass der zug hält und ich aussteigen kann. ich stieg aus und ich hörte die computerstimme durch den lautsprecher, herzlich willkommen und ihre nächsten anschlüsse.
herzlich willkommen.
als ich in s. umsteigen musste hörte ich diese sätze ebenfalls, aber dort wollte ich weiter, umsteigen, in diesem moment gab es für mich kein umsteigen mehr, jetzt war ich da und ich versuchte die luft und ihre düfte zu riechen, wie riecht es hier und wenn ich heute jemandem sagen müsste, wenn du aus dem zug steigst, ich würde sagen es riecht nach lebkuchen und bratwürsten, nach club und christkind, nach geschäften für das alltägliche und mit souvenirs. ich würde sagen, es riecht nach vergangenheit und gegenwart einer grossstadt in diesem land und ich würde erwähnen, dass es nach leben und tod riecht, nach vorstellungen die man sich nicht macht wenn man zum ersten mal in dieser stadt ankommt. es riecht nach vielen strassen und stadtteilen, nach häusern in denen menschen wohnen und wer mit dem auto anfährt hat die zahlreichen verkehrsschilder und ampelschaltungen zu beachten und auf den vortritt der strassenbahnen
haltestellen, radwege, busse, bahnhofspassage, rolltreppen, opernhaus, arbeitsamt, museen, geldautomat, zigarettenladen, hotels, kneipe, friedhöfe, spielplätze, grünanlage, hundezonen, seepromenade, einkaufsmeile, buchhandlung, second hand shop, selbstbedienungswarenhaus, dönerstand, menschenrechtsstrasse, lichtsignal, litfasssäulen, denkmäler, kino, flughafen –
flur wald wiesen
ankunft vor jahren und heute wenn ich aus einer anderen stadt in diese stadt zurück kehre erwarte ich wie damals diese ersten unverwechselbaren zeichen, am liebsten zu dieser stunde in der die lichter leuchten, so ist es, immer ist, bleiben, ewig mit diesem eindruck, dem besten, dem unerschütterlichen, dem allesgut.
was gibt es zu sagen noch zu notieren, wenn ich heute nachts nach eingewöhnten jahren den tag ausklingen lasse mit dem letzten gang draussen vor der haustür, unten auf der wiese, die mich morgens, gerade im frühjahr und herbst, daran erinnert, so könnte der central park in new york aussehen, so sieht er aus und die pegnitz holt mich zurück und rauscht, das wasser rauscht von irgendwo herfliessend vorbei, eine aus dem schlaf aufgeschreckte ente vernehmen und dem hund pfeifen
komm her und lass dich streicheln
und ich einfach gehe und die runde drehe
was dann noch sagen, was wäre dann noch zu sagen auf ein stück hier bin ich
zurück zum wohnhaus
beschrifteter briefkasten
das fast einzig
vertraute
grusskarten
die von drüben
die sind anders
als die von irgendwo hier
und ich finde mich
ein
mehr weniger
täglich
es
geht gut
mir
habe bin
gerade zu unentwegt
grusskarten aus fremder weite auf denen geschrieben noch vieles in der luft im wind ist
und eine freiheit trägt
ausserhalb der ränder fragen an die stadt an die vergangenheit das an last unerträgliche
die orte mit moos überwachsen mahntafeln und plätze des erinnerns
aufmaschieren von beiden seiten als fremde nachgeborene
dazwischen beitrag null acht fünfzehn fragezeichen
nein, nie gestellte fragen
darf ich ich bleiben
nein, nie nimmer ein anderes
hier und ich befristet
man sollte sich nirgendwo lange aufhalten
denn ein baum schickt vom wind genommen seine kinder aus und die mauern die menschen sie warten
wie war das als ich sich der erste schritt auf diesen boden aufsetzte? hatte ich weiche knie? ging ich wie immer?
& immer nachts komme ich
in dieser stadt an
bringe kirschen mit
in meinem handgepäck
& wechselgeld
ein stück fremdes silber
ein adieu ade
für dort und da
ein salut & hallo
für dort und da
& immer nachts
träume ich
von einem ort
herznah
& an meiner pinnwand haftet eine notiz
es ghot mi nüt a
was mi hier lot lo si
i därä stadt
dänn ich han tuusig grönd
more vo hier zgho
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